Die 7 Gaben

Was sind die sieben Gaben des Hl. Geistes? Und: was haben sie mit Grimms Märchen zu tun?

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Dornröschen und die 7 Raben/Gaben

„Das Fest ward mit aller Pracht gefeiert, und als es zu Ende war, beschenkten die weisen Frauen das Kind mit ihren Wundergaben; die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit, die dritte mit Reichtum, und so mit allem, was auf der Welt zu wünschen ist“.
„Der Morgenstern aber [...] gab ihm ein Hinkelbeinchen und sprach: „Wenn du das Beinchen nicht hast, kannst du den Glasberg nicht aufschließen, und in dem Glasberg, da sind deine Brüder.“
In vielen Märchen erhalten die Helden gute Gaben. Mal sorgen sie, wie beim Dornröschen, für Glück und erfülltes Leben, mal helfen sie bei der Bewältigung schwerer Aufgaben, wie bei der Befreiung der verzauberten Raben-Brüder durch ihr Schwesterchen. Diese Gaben sind Geschenke, Hilfen, die angeboten werden. Ganz unterschiedlich entscheiden die Märchenfiguren, ob und wie sie diese Hilfen nutzen.

Ähnlich wie das Dornröschen und das Schwesterchen erhalten alle, die das Firmsakrament empfangen, ein Gabengeschenk: „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Hl. Geist.“ spricht der Bischof jedem einzelnen zu. Und ein altes Pfingstlied verspricht, dass dieser Geist „mit der Gaben Siebenzahl“ wirkt. Welche genau das sind, müssen viele erst im Buch nachschlagen oder im Internet suchen: Weisheit und Einsicht, Rat und Stärke, Erkenntnis und Frömmigkeit und zuletzt die Gottesfurcht . Vom ‚Rat’ einmal abgesehen (der Ratgeber-Buchmarkt boomt ja) sind das alles Begriffe, die nicht gerade aus dem alltäglichen Wortgebrauch stammen. Und deren Klang eher an Märchenbuch oder Fantasyfilm erinnert.

Viele Märchenfiguren lassen sich von Ratschlägen der „klugen Alten“ oder des „weisen Greises“ leiten, um an ihr (Lebens-)Ziel zu kommen. Diese weisen Alten nehmen den Märchenhelden dabei den Weg zum Ziel nicht ab. Sie ‚locken’ sie auf den richtigen Weg, sie geben Hinweise und Hilfen, den gefährlichen oder beschwerlichen Weg überstehen zu können, um zum Ziel zu gelangen. Das Gehen selber und das Durchstehen der Gefahren bleibt den Märchengestalten überlassen. Am Ziel angekommen winken ihnen Glück oder Ehre, vor allem aber Zufriedenheit.

Ein bisschen ähnlich ist es mit den 7 ‚märchenhaft’ klingenden Gaben des Hl. Geistes. Auch sie locken und leiten die Menschen zum glückenden Leben:

Weisheit, laut Duden eine „auf Lebenserfahrung, Reife und Distanz zu den Dingen beruhende, einsichtsvolle Klugheit“ , meint in christlichem Sinne mehr als ‚nur’ eine Ansammlung von Wissen und den daraus gezogenen Konsequenzen. Sie ermuntert, sich als ein von Gott geschaffenes und geliebtes Geschöpf zu erkennen. Und aus diesem Wissen heraus als Liebende/r frei in der Welt zu handeln.

Einsicht und Erkenntnis gehen in eine ähnliche Richtung: sie nehmen als Grundlage zur Festlegung zielgerichteten Verhaltens dann nicht nur das Verstehen von physisch oder psychisch feststellbaren Sachverhalten, sondern als weiteren Betrachtungswinkel die Botschaft Jesu, den Willen Gottes dazu: wie sähe das geplante Handeln aus der Perspektive des Glaubens, mit den ‚Augen Jesu‘ betrachtet, aus? Einsicht und Erkenntnis helfen so, zwischen gut und böse, wichtig und unwichtig, wahr und falsch zu entscheiden.

Auch Rat und Stärke sind klassische Märchenmotive: einen guten Rat einholen und stabilisierende Kraft erhalten – das hilft vielen Märchenfiguren auf ihrem Weg. Die Geistesgabe des Rates lädt ein, ein Netz voll Unterstützung zu erfragen, denn sie ermuntert, im Austausch mit anderen und im persönlichen Bedenken Gottes ‚Meinung‘ für die eigene Entscheidung nahe zu kommen. Die Stärke gibt dann die Kraft, das dann auch wirklich zu tun, wovon Herz und Verstand überzeugt sind. Auch da, wo es schwer wird oder Mut und Ausdauer kostet.

Und die beiden letzten Gaben? Die bislang genannten fünf Gaben ließen sich auch ohne religiösen Bezug erklären. Der ‚Mehrwert‘ dieser Gaben aus christlicher Sicht zeigte sich anhand des Vergleichspunktes der Märchenstruktur. Frömmigkeit und Gottesfurcht haben einen klar religiösen Bezug. Wenn bislang lediglich die äußere Märchenstruktur (Der Alte – die Gabe – der Weg – das Ziel) Anregungen zum Verständnis der Geistesgaben gab, dann hilft bei diesen beiden Geistesgaben auch der Inhalt eines Märchens weiter: Im ‚Sterntaler’ verschenkt „das kleine Mädchen“ aus Mitleid mit den Menschen und voll Vertrauen auf Gott all seine Habe, - reichlichen Sternensegen erhält sie zum Lohn. Frömmigkeit zeigt sich in mehr als im Beten und im Beichten: Frömmigkeit ist das Vertrauen auf die Fürsorge Gottes und die daraus folgende Bereitschaft, sich mit anderen zu verbinden und das Leben zu teilen. Eng damit verbunden ist die Gottesfurcht, die nicht Angst vor Gott meint, sondern das Wissen, dass Gott unendlich anders ist als die Menschen und ihnen doch, jedem einzelnen, unendlich zugetan ist. Gottesfurcht ist das Staunen vor der Größe Gottes, der sich doch in Jesus Christus menschlich gemacht hat, damit die Menschen von seiner Liebe und seinem Willen erfahren.

Zurück zum Anfang: Dornröschen, die heißersehnte Tochter des Königspaars, war für ihr Leben wahrlich mit besten Gaben ausgestattet. Doch der Umweg über 100 Jahre Schlaf bis zur glücklichen Wendung ihres Lebens blieb ihr trotz aller guten Gaben nicht erspart. Und auch das Schwesterlein musste weite Wege und gefahrvolle Momente durchleben, bis die sieben Raben-Brüder befreit und die Familie glücklich vereint war.

Die sieben Gaben bleiben Geschenke. Ihre Wirkung wird davon abhängen, ob man diese Geschenke nutzt. Sie sind keine ‚magischen Werkzeuge’, die das Leben sinnvoll und glücklich zaubern. Sie laden ein, das Leben unter ‚göttlichen Gesichtspunkten’ in den Blick zu nehmen und dann immer wieder danach zu gestalten. Vielleicht haben Sie Lust, entsprechend dem Motto des Katholikentages, der wenige Tage vor Pfingsten in Mannheim stattfindet, mit der Nutzung der Geistesgaben „einen neuen Aufbruch [zu] wagen.“ . Damit es am Ende bei den Menschen wie beim Dornröschen heißen kann: „und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende“ „und zogen fröhlich heim“, wie die sieben Rabenbrüder mit ihrem Schwesterlein.

Anmerkungen:
Komm, o Geist der Heiligkeit’ , Gotteslob, Ausgabe Erzbistum Köln GL 871
In Deutung des Pfingstereignisses suchte die frühe Kirche die ‚Wirkung’ der Geistsendung zu fassen. Früh griff man zurück auf einen Text aus dem ersten, dem alten Testament: Anzahl und Art der Gaben wurde aus Jes. 11,2-3, einer Beschreibung der ‚Eigenschaften’ des erwarteten Messias, geschlossen.
www.duden.de/rechtschreibung 23.02.2012 , alle weiteren Wortbedeutungen vgl. auch ebenda.
Brüder Grimm, Kinder und Hausmärchen 153
www.katholikentag.de